Rückblick Neujahrsempfang 2024

am 8. Januar 2024 im Neckar Forum.

Neujahrsrede 2024 von OB Matthias Klopfer

Es gilt das gesprochene Wort.

Mit Dankbarkeit und Zuversicht in Esslingen ins neue Jahr 2024 starten

Besten Dank für die vielen persönlichen Glückwünsche zum neuen Jahr, die meine Partnerin Dorothée Steven und ich erhalten haben. Wir wünschen Ihnen für 2024 alles Gute, Glück und Erfolg bei all Ihren Vorhaben, das dazu notwendige Durchhaltevermögen, im Kleinen und im Großen.

Auch beim diesjährigen Neujahrsempfang erwartet Sie für eineinhalb Stunden ein buntes Programm, mit Musik und Tanz, Interviews mit den Intendanten der Württembergischen Landesbühne, Ehrungen. Und die Neujahrsrede Ihres Oberbürgermeisters. Jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung. Was muss dabei sein, was nicht? Rückblick und Ausblick auf unsere Stadt, das ist klar. Zuversicht, aber auch kritischer Blick auf die großen Linien der Politik und der Gesellschaft. Wem danken für das besondere Engagement? Wen persönlich begrüßen? Zumindest die letzte Frage habe ich für mich geklärt: Ich begrüße Sie alle gleich herzlich, ohne Einzelne hervorzuheben:

Liebe Bürgerinnen und Bürger unserer besonderen Stadt Esslingen,
liebe Ehrengäste, meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen!
Ich freue mich schon auf die Gespräche beim anschließenden Empfang. Aber zuerst will ich Sie mitnehmen auf den Rückblick auf das Jahr 2023 und den Ausblick auf 2024.
Womit anfangen? Vielleicht mit den Wörtern des Jahres 2023. Nach „Zeitenwende“ im Jahr 2022 ist nun „Krisenmodus“ auf Platz 1 gewählt worden, gefolgt von „Antisemitismus“, „leseunfähig“, „KI-Boom“, „Ampelzoff“, „hybride Kriegsführung“, „Migrationsbremse“, „Milliardenloch“, „Teilzeitgesellschaft“ und „Kussskandal“. Zu jedem Wort könnte man eine Rede schreiben, in diesen zehn Worten verdichtet sich auf eindrucksvolle Weise das vergangene Jahr. 

Was hätten Sie als Ihre persönlichen Worte des Jahres 2023 ausgewählt? International, national, landesweit, in unserer Stadt, persönlich?
Mich hat diese Frage beim Schreiben über den Jahreswechsel beschäftigt. Abends, bei einem Glas Wein. Morgens, beim Laufen im Schurwald. Mittags, am Esstisch, mit Blick über den Garten aus Serach nach Sulzgries. Beim Lesen der Jahresrückblicke der großen Zeitungen. 

„Solidarität“ - einer der Grundpfeiler unserer Gesellschaft 

„Solidarität“ wäre mein Wort des Jahres in der internationalen Politik, wenn ich an meine  Reisen in die Ukraine und in die USA denke. Und an den 7. Oktober. Warum? Der Reihe nach.
Der Gemeinderat hat beschlossen, mit Kamianets-Podilskyi eine Solidaritätspartnerschaft zu gründen. Eine Stadt mit 100.000 Einwohnern, einer wunderschönen Altstadt. Sie könnte der Zwilling von Esslingen sein, im Süden der Ukraine. Herzlich willkommen an meinen Kollegen, Bürgermeister Mykhailo Positko! 
Im April bin ich dort hingefahren, mit dem Zug, 10 Stunden von der polnischen Grenze und nochmals zwei Stunden mit dem Auto. 
Ein riesiges Land. Ich war beeindruckt von der Gastfreundschaft, dem positiven Denken, der klaren politischen Haltung. Am ersten Abend gingen wir spazieren, schöne Parkanlagen, plötzlich standen wir vor dem Mahnmal für die getöteten Soldaten. Bilder von jungen Frauen und Männern, die im Kampf für die Demokratie ihr Leben gelassen haben. Auch der Bruder von Mykhailo war dabei. Am nächsten Tag in der Schule, kaum männliche Lehrer mehr in der Schule. Die Kinder haben jeden Tag einen Rucksack mit warmer Kleidung und Getränken dabei, um jederzeit in den Keller flüchten zu können. Ihre Erfahrungen haben sie über Musik und Tanz eindrucksvoll dargestellt.  
Da wurde mir klar: Jeder in der Ukraine ist betroffen von dem Krieg, hat Angehörige, Freunde und Kollegen, die an der Front sind. Auch jetzt gerade, in Schützengräben, im Stellungskrieg wie im 1. Weltkrieg, aber auch jederzeit gefährdet durch modernste Waffen wie unbemannte Kriegsdrohnen, 
KI gesteuert. 
Keiner kennt die Zahl der Toten, Verletzen und Vermissten, aber es sind hunderttausende auf beiden Seiten. Und wir wollen helfen, mit Material für die Feuerwehr und die Klinik, mit Unterstützung für die traumatisierten Kinder? Mit Besuchen von Kindern in Esslingen, wie in der Vorweihnachtszeit, bei einem wunderschönen Konzert in der Frauenkirche? 
Ja, das wollen wir. Als Zeichen, dass wir solidarisch an der Seite der Ukraine stehen. Wir wollen Hoffnung geben für ein demokratisches Miteinander in der Europäischen Union. 
Fast 700 Tage sind es nun schon seit dem 24. Februar 2022, dem Überfall Russlands auf die Ukraine. 
Was habe ich persönlich mitgenommen für meinem Alltag? Vieles. Vor allem aber die Dankbarkeit, in Deutschland, in Esslingen in Frieden zu leben. 
Und dass wir viel zu oft über Luxusprobleme streiten, in einem der reichsten Länder der Erde, in dem wir in Frieden leben. Und wir in der Region Stuttgart zudem noch in einer der wohlhabendsten Regionen innerhalb Deutschlands leben. 
Und deshalb versuche ich in politischen Diskussionen immer wieder, die Dinge einzuordnen, für mich selbst. Das gibt mir die notwendige Ruhe, auch in streitigen Diskussionen immer wieder Kompromisse zu formulieren. 
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich werde auch in Zukunft mit all meiner Kraft und auch leidenschaftlich Diskussionen und Entscheidungen vorantreiben, für das Gemeinwohl in unserer Stadt – und dennoch versuchen, dass der notwendige politische Streit immer auch berücksichtigt, in welch privilegiertem Umfeld wir diesen Streit führen können. 
Meine Reise in die USA hat mir unter anderem einmal mehr deutlich aufgezeigt, dass der deutsche Sozialstaat etwas ist, auf das wir sehr stolz sein können. 
Unser Sozialsystem ist „solidarisch“ aufgebaut: Die Stärkeren zahlen für dieselbe Leistung im Gesundheitssystem einen höheren Beitrag. 
Anders in den USA. 
Wir waren mit einer Delegation eingeladen zur Parade zum 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA. Am Morgen bin ich beim Laufen gestürzt, die Wunde musste genäht werden. Am Abend waren alle besorgt wegen der Kosten und haben mit mir ausführlich über das amerikanische Gesundheitssystem gesprochen. Eine normale Geburt kostet 20.000 Dollar, eine Blinddarm-OP mehr als 60.000 Dollar. Unfassbar! 
50 Millionen Amerikaner haben aber keine Krankenversicherung. Kein Land gibt so viel Geld für Gesundheit aus, bei gleichzeitig so schlechten Ergebnissen für die Bevölkerung. 
Kosten übrigens für 15 Minuten Behandlung, lokale Betäubung plus einige wenige Stiche und zwei Schmerztabletten: mehr als 3.000 Dollar. Ist wirklich alles so schlecht in Deutschland, in unserem solidarischen System? 

Der 7. Oktober, der Tag des Überfalls der Terroristen auf Israel, mit mehr als 1.200 Toten, geschändet, vergewaltigt, misshandelt, Babys genauso wie ältere Menschen, Frauen und Männer, fast 300 entführte Geiseln, war für uns alle sicherlich das einprägendste Erlebnis des Jahres 2023. 
Ich habe auf vielen Gedenk- und Solidaritätsveranstaltungen gesprochen und dabei immer unsere ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zitiert, dass aus der historischen Verantwortung Deutschlands heraus die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson ist, und die Sicherheit Israels niemals verhandelbar sei. 
Solidarisch an der Seite Israels zu stehen, das ist aus meiner Perspektive auch jetzt, 3 Monate nach dem Angriff der Hamas, das Gebot der Stunde – kein „ja, aber“! Dieses „ja, aber“ können wir erst dann wieder formulieren, wenn alle Geiseln freigelassen wurden und die Terrororganisation zerschlagen ist. 

„Ampelzoff“ und „leseunfähig“ – mehr Mut zu weitreichenden Reformen

Für die Bundespolitik fällt es mir deutlich schwerer, mein persönliches „Wort des Jahres“ zu formulieren. „Ampelzoff“ ist irgendwie sehr treffend, oder? 
Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, führt ebenfalls eine Ampelkoalition. Geräuschlos. Klar, Landespolitik ist weniger im Fokus der Öffentlichkeit. Ihre Erklärung: Drei Frauen stehen an der Spitze der Landespolitik, die in der Lage seien, hinter verschlossenen Türen zu streiten, dann aber geeint in der Öffentlichkeit aufzutreten. 
Jetzt will ich kein Plädoyer dafür halten, dass wir unsere männlichen Führungsspitzen alle austauschen sollten, aber mehr Geschlossenheit würde uns allen gut tun. Den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen, aber auch den Politikerinnen und Politikern der Ampel selbst. Der Absturz in den Umfragen ist leider beispiellos, ebenso wie der Aufstieg der AfD.
Die ist in allen Meinungsumfragen zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stärkste Kraft. 
Was bedeutet das für unser politisches Gemeinwesen? Mich macht das sehr nachdenklich. Diese unausgesprochene Sehnsucht nach einfachen Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen. 
Und bei all dem Ärger will ich eines in aller Deutlichkeit sagen: Es gibt keinen, aber gar keinen Grund, gesichert rechtsextreme Parteien wie die AfD zu wählen oder gar aktiv für sie zu werben. Das ist Gift für unsere Demokratie, unsere Wirtschaft, unser friedliches, tolerantes Zusammenleben in Deutschland!
In einem sind wir uns im Allgemeinen wohl alle einig: Wir könnten das beste Bildungssystem, die besten Hochschulen, die beste Bahn und top Autobahnen haben, wenn wir diese unsinnigen Subventionen streichen würden. 
Wenn es dann konkret wird, hört diese Einigkeit jedoch schnell auf, wie wir gerade bei den Demonstrationen der Landwirte sehen. Das verstehe ich sogar, denn wieso nur an dieser Stelle, und nicht alle Dieselsubventionen im Umfang von mehr als sieben Milliarden streichen? Es fehlt die Erklärung, der große Blick aufs Ganze. 
Hoffentlich findet die Ampel 2024 den Mut, eine umfassende Reform-Agenda auf den Weg zu bringen. Das ist schon einmal gelungen: im Jahr 2003 mit der Agenda 2010, von der wir bis heute profitieren.
Bei der Wahl meines Wortes des Jahres für die Landespolitik schließe ich mich Platz drei der Wörter des Jahres an: „leseunfähig“. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass wir im Ländle bei allen Pisa-Studien immer weiter nach unten rutschen, die frühkindliche Bildung nicht in den Griff bekommen und die Zahl der Schulabbrecher mit sechs Prozent so hoch bleibt? 

So schwach waren die 15-Jährigen im Lesen und Rechnen noch nie. „Leseunfähig“, weil doch allen klar ist, dass der einzige Rohstoff, den wir in unserem Land haben, die Bildung ist. 
Und dann solche Ergebnisse in einem so reichen Land, das so viel Geld wie wenige andere Länder für den Bildungsbereich ausgibt? Und wo alleine schon angesichts des demographischen Wandels und des damit verbundenen Arbeitskräftemangels kein Kind verloren gehen darf? 
Und es liegt nicht an der Bezahlung der Pädagoginnen und Pädagogen. Außer in der Schweiz werden Lehrerinnen und Lehrer nirgendwo so gut bezahlt, die Fachkräfte in den Kitas hatten den größten Gehaltszuwachs aller Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. 
Mit Sorgenfalten schaue ich auf die neu beginnende Diskussion zum neunjährigen Gymnasium. Hilft uns das, damit wir weniger Bildungsverlierer produzieren? Unsere Kinder besser lesen und rechnen können? 
Wir investieren in Esslingen bis 2030 mehr als 100 Millionen für unsere Schulen und müssten dann nochmals massiv mehr bauen. Vielleicht wäre der Bau neuer Schulen noch zu leisten – aber woher sollen eigentlich die Lehrkräfte kommen? Es gibt doch schon heute massiven Unterrichtsunfall. Warum eine neue Baustelle aufmachen in der Bildungspolitik? 
Ist damit irgendetwas gewonnen für eine Bildungspolitik, bei der schulischer Erfolg nicht mehr so stark wie bisher vom Geldbeutel der Eltern abhängt?
Unser Ministerpräsident hat kurz vor Silvester davon gesprochen, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen. Das sehe ich auch, aber dann lassen Sie uns bitte in den Kommunen selbst entscheiden, welchen Gürtel wir für welches Kleidungsstück anziehen und wie stark wir den Gürtel an welcher Stelle enger schnallen. 
Ein Beispiel: Die Vorgaben des Landes für die Kinderbetreuung sorgen dafür, dass in allen 25 Städten in der Region Stuttgart insgesamt viele tausend Eltern keinen Platz für ihre Kinder finden. 
Nicht, weil wir, die Städte, sparen wollen, sondern weil es kein Personal mehr gibt! 
Ein Landtagsbeschluss könnte dies ändern – mit einem Personalschlüssel wie in Bayern oder in Rheinland-Pfalz könnten wir alle Kinder auf einem sehr guten Niveau versorgen. 
Viele weitere Beispiele könnte ich formulieren – wir brauchen nicht nur im Bund, sondern auch im Land Mut zu weitreichenden Reformen.

„Aufbruch“ und „Zuversicht“ – neue Ideen entwickeln im besten Sinne der Stadt 

Und welches Wort würde für Esslingen im Jahr 2023 stehen? Wie wäre es mit „Aufbruch“ und „Zuversicht“? 
Ja, es schmerzt, dass Teile der Produktion von Eberspächer nach Osteuropa gingen – aber TKElevator kommt. Mit mehr als 300 Arbeitsplätzen. 100 Millionen Gesamtinvestition.  
In 65 Tagen haben wir den Bauantrag genehmigt – Kompliment an unsere Mitarbeitenden! 
Nach der schmerzhaften Schließung des Hotels am Neckarforum eröffnet übermorgen das „Leonardo-Hotel“. 

  • Die Fertigstellung der Mettinger Brücke. 
  • Der Startschuss zum O-Bus-Ausbau. 
  • 150 neue Zimmer im neuen Modulgebäude unserer Klinik, Voraussetzung für die grundlegende Umgestaltung in den kommenden Jahren. 
  • Eröffnung von diversen Kitas. 
  • Erfolgreiches Landeskinderturnfest. 
  • Große und kleine Jubiläen. 
  • Der Deutsche Meistertitel für die Judoka. 
  • Sehr erfolgreiches Jahr bei der WLB, mit unzähligen Premieren. 
  • Eine LesArt mit herausragenden Autoren an besonderen Orten. 
  • Ein perfekter Start für das Schwörfest als Nachfolger des Bürgerfestes. 
  • 75 Jahre Bürgerausschüsse. 
  • Spatenstich zum Neckaruferpark. 
  • Eröffnung des Qbus inklusive Mobilitätsstation. 
  • Unser Weihnachtsmarkt, geadelt von der englischen Times als einer der schönsten Weihnachtsmärkte in Europa. 
  • Nahezu einstimmiger Beschluss im Gemeinderat zum Doppelhaushalt 2024/2025, mit dem größten Investitionsprogramm in unserer Geschichte. 
  • Der Abschluss der Grünen Höfe in der Pliensauvorstadt. 
  • Der Startschuss zur Sanierung des Merkel’schen Bades. 
  • 50 Jahre Villa Merkel. 
  • 150 Jahre Feuerwehr Zell. 
  • Spatenstich zur Neuen Schule in der Pliensauvorstadt. 

Und, und, und … ich könnte die Aufzählung noch sehr, sehr lange fortsetzen. Herzlichen Dank an alle, die sich so sehr für die Zukunft unserer Stadt ins Zeug legen! 

„Weichenstellung“ - für die Transformation der Innenstadt und die Wärmewende

Ja, es galt auch, schwierige Nachrichten zu verdauen. An der Spitze die Schließung von Karstadt und Kögel zum 31. Januar diesen Jahres. Ein harter Doppelschlag. 
Die Leerstands-Quote schnellt damit auf einen Schlag von 10 auf 35 Prozent hoch. Das wird selbstverständlich für die gesamte Innenstadt nicht ohne Folgen bleiben, wenn fast 20.000 qm Verkaufsfläche leer stehen und die Fußgängerfrequenz dementsprechend nach unten geht. 
Aber deswegen den Kopf in den Sand stecken und abwarten, bis „der Markt“ es richtet? Auf keinen Fall! Denn der Markt wird es nicht richten, in einer Zeit mit steigenden Zinsen, Rückzug von vielen Projektentwicklern, Kaufzurückhaltung der Bevölkerung und einem harten Wettbewerb mit dem Onlinehandel. 
Deshalb mein Vorschlag, dass sich die Stadt engagiert: mit einer neuen Bibliothek im Kögel. Mit deutlich mehr Fläche, sehr zentral gelegen, vielen neuen Möglichkeiten. Im Februar wird der Gemeinderat darüber entscheiden. Ich bin dem Gemeinderat sehr dankbar, dass er sehr offen an diesen Vorschlag herangetreten ist. 
Beim Karstadt-Areal ist die Situation deutlich schwieriger, die meisten hier im Saal kennen die jahrzehntelange Geschichte, mit immer neuen Ideen, vielen Kompromissen, oft mit der Faust in der Tasche, nur um Karstadt in Esslingen zu halten. Leider ist Karstadt nun Geschichte, wie in vielen anderen Städten auch. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass es uns in einem großen Kraftakt gelingen kann, im Jahr 2024 hier endlich den Knoten zu durchschlagen. Mit der Volkshochschule in den oberen Etagen. Alleine dadurch kommen jeden Tag 1.000 Kunden in die Stadt, genauso wie mit einer neuen Bibliothek. 
Und ich freue mich schon sehr, wenn wir im nächsten Schritt gemeinsam Ideen für das Kulturquartier entwickeln, mit einer Konzentration unserer Museen an einem Ort, aber auch mit vielen neuen Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement. 
Am Rande notiert: Die meisten Besucherinnen und Besucher kommen jedes Jahr ins DICK, fast eine halbe Million. Hier wird kräftig investiert: in die Kinos, in ein neues Bowlingzentrum. Ein eigenes Kraftzentrum in der Innenstadt. 
Und dieser Teil der Stadt wird durch die neue Hochschule, die Bebauung des Stadtwerke- und des Schlachthofareals weiter an Bedeutung gewinnen. 

Zurück zur historischen Altstadt: 
Bis zum Stadtjubiläum im Jahr 2027 wollen wir das „Wohnzimmer“ unserer Stadt, den Marktplatz, endlich aufwerten. 
Die Ritterstraße grundlegend umgestalten. 
Den Bahnhofsplatz optimieren. 
Die Innenstadt mit einem neuen Marktkonzept attraktiver gestalten. 
Mit den Immobilieneigentümern noch intensiver ins Gespräch kommen. 
Den Gastronomen gute Möglichkeiten bieten, unter dem Motto „Leben und leben lassen“. 

„Wärmewende“  – die größte Investition in Esslingen bis 2040

Etwas untergegangen ist in der letzten Sitzung der Beschluss zur kommunalen Wärmeplanung – von der Tragweite hingegen bedeutsamer als die meisten anderen Beschlüsse des Jahres 2023. 
Wenn wir alles umsetzen würden, wie in der Theorie geplant, reden wir alleine beim Fern- und Nahwärmeausbau von 800 Millionen Euro. Dazu kommen mindestens 200 Millionen für den Ausbau des Stromnetzes. 
Haben Sie eine Vorstellung, wie sich die Stromversorgung von Deutschland gerade ändert? Wir hatten über Jahrzehnte 500 Großkraftwerke im Stromnetz. Bald sind es 7,5 Millionen kleine, dezentrale Anlagen. Aber es müssen auch noch 50 neue Gaskraftwerke bis 2030 gebaut werden – kein einziges übrigens bislang genehmigt. Hohe Ziele sind notwendig, aber sie sollten auch erreichbar sein.
Aktuell investieren wir bei den Stadtwerken sechs Millionen pro Jahr, wir müssten dann mehr als 60 Millionen pro Jahr investieren. 
Unvorstellbar. Finanziell, aber auch als Belastung für die Stadt. Esslingen wäre lahmgelegt. 
Und wir müssen ja auch noch den Sanierungsstau bei den Brücken und bei den Straßen abbauen. 
Was mich ärgert: In Berlin und Stuttgart wird den Bürgern versprochen, dass über den Ausbau der Fernwärme unsere Probleme nahezu vollständig in kurzer Zeit gelöst werden können. Wir Kommunalpolitiker müssen aber dann vor Ort den Menschen erklären, dass es so einfach nicht ist und zudem mit hohen Kosten für jeden Einzelnen verbunden ist. 
Mehr Realitätsbezug wünsche ich mir deshalb von unseren Abgeordneten in Bund und Land. Und dass endlich gilt: Wer bestellt, bezahlt auch! 
Die Städte sind unterfinanziert und ständig kommen neue Aufgaben dazu. Das geht nur in wirtschaftlich so guten Zeiten wie aktuell. 
Aber sind die kommenden Jahre genauso gut oder müssen nicht alle politischen Ebenen in Deutschland endlich den Bürgern reinen Wein einschenken und klar machen, dass Mehrausgaben für 

  • die Energiewende, 
  • die Bewältigung des Klimawandels, 
  • den Abbau des Sanierungsstaus bei der Deutschen Bahn, 
  • die Digitalisierung, 
  • die steigenden Militärausgaben, 
  • die älter werdende Gesellschaft, 
  • den Wohnungsbau, 
  • die Bildungsoffensive 

dafür sorgen, dass an anderen Stellen Standards abgebaut werden müssen und in Teilen auch Wohlstandsverzicht unabdingbar ist? 
Und nicht um des Sparens willen, sondern um die Zukunft der nächsten Generationen zu sichern. 
Ehrliche Politik, das ist das Gebot der Stunde. 
Und das würde auch den Parteien an den Rändern das Wasser abgraben und unsere Demokratie resilienter machen, da bin ich mir sehr sicher. 

„Frieden!“ – die Grundlage für alles

Und was würden Sie sich allgemein als Wort des Jahres 2024 wünschen? 
Bei mir steht an erster Stelle Frieden. Frieden auf der Welt, in der Ukraine genauso wie in Israel, aber auch für alle anderen Länder. Aktuell gibt es 21 Kriege, jedes Jahr unfassbares Leid für Millionen von Menschen, Tote, Verletzte, zerstörte Städte und Landschaften, Vertreibungen. 
Frieden. Ein so einfaches Wort. So schwer zu erreichen. Und doch die Grundlage für alles. 

In diesem Sinne: 
Ich wünsche uns ein Jahr 2024, in dem die Friedenstaube wieder fliegen darf, die Weltgemeinschaft die Kraft hat, den Klimawandel zu stoppen, die Wählerinnen und Wähler am 9. Juni die Europäische Union stärken und in den USA die Wählerinnen und Wähler dafür sorgen, dass Donald Trump Geschichte bleibt. 
Ich wünsche uns ein Jahr 2024, in dem wir in Deutschland stolz das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes feiern, eine Fußball-Europameisterschaft, die die Stimmung der WM von 2006 wieder aufkommen lässt. 
Ich wünsche uns ein starkes Land Baden-Württemberg, das die Energiewende anpackt und die Transformation zur Elektromobilität erfolgreich meistert und den Wohnungsbau als die soziale Frage des Jahrzehnts zur Chefsache macht. 
Ich wünsche unserer Stadt für 2024, dass die Bürgerinnen und Bürger aus mehr als 150 Nationen weiterhin tolerant und respektvoll zusammenleben und sich weiterhin zehntausende jeden Tag für unsere so lebenswerte Stadt Esslingen engagieren, in unseren Unternehmen, unserer Verwaltung, den staatlichen Institutionen, unseren Vereinen, unseren Initiativen, unseren demokratischen Parteien und Kirchen. 

Ihnen und Ihren Familien alles Gute für 2024, bleiben Sie zuversichtlich! 
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede zum Download

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Neujahrsempfang Rede OB Matthias Klopfer (PDF, 193 KB) 09.01.2024 193 KB

Impressionen

Blick ins Foyer des Neckarforums
Blick ins Foyer auf die eintreffenden Gäste.
OB Matthias Klopfer mit Partnerin begrüßen die Gäste.
Blick in den vollbesetzten großen Saal.
OB Matthias Klopfer am Redepult.
Bassist, Saxophonspieler und Sängerin unterhalten die Gäste musikalisch.
Ehrung der Lehrerinnen Frau Dehateari und Frau Avramidou.
Rahmenprogramm: Hip Hop mit der Gruppe KIDS DANCE
Talkrunde mit Friedrich Schirmer, Marcus Grube und OB Matthias Klopfer
Anregende Gespräche nach der Veranstaltung im Foyer.
Die Gäste stoßen mit Esslinger Wein auf das neue Jahr an.