Die Schwörzeremonie: Eine reichsstädtische Tradition
Das Schwörfest beginnt am Freitag mit der traditionellen Schwörzeremonie im Schwörhof, bei welcher der Oberbürgermeister und der Gemeinderat verpflichtet werden. Heute wird die Schwörzeremonie in einer zeitgemäßen Form durchgeführt und als Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements, bürgerschaftlichen Zusammenhalts und der kommunalpolitischen Partizipation interpretiert. Die Stadtgemeinschaft ist zu bürgerschaftlichem Engagement und Solidarität eingeladen.
Geschichte des Schwörtags
Der Esslinger Schwörtag war bis zum Verlust der Reichsunmittelbarkeit das zentrale verfassungspolitische Ereignis der Stadt Esslingen am Neckar. In den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts hat die Stadt diese Tradition wieder aufgenommen.
Schwörtag damals
Die heutigen Schwörtagsfeiern in ehemaligen Reichsstädten wie Esslingen gehen auf mittelalterliche Vorläufer zurück, bei denen sich die Stadtgemeinde als Schwurgemeinschaft konstituierte.
Reichsstädte besaßen eine besondere politische Kultur, regierten sich weitgehend selbst und genossen so eine relative Unabhängigkeit. Ausdruck dieser kommunalen, partizipativen, wenn auch nicht im heutigen Sinne demokratischen Selbstregierung war der gemeinsame öffentliche Eid des Bürgermeisters, des Rates und der ganzen Bürgerschaft auf die Stadtverfassung.
Die Schwörtagsfeiern, in Esslingen bereits 1376 weitgehend ausgeprägt, fanden jährlich zu Wahlen und Amtsübergaben statt. Der Schwörakt bezweckte letztlich den Zusammenhalt in der Stadt, friedliche Konfliktaustragung und die Beachtung der städtischen Regeln durch alle Beteiligten. Der Schwörtag war auch ein zentrales städtisches Fest und ein wichtiger Faktor im Bewusstsein der Bürgerschaft.
Der Verlust der reichsstädtischen Freiheit durch die Mediatisierung von Reichsstädten im Gefolge der Napoleonischen Kriege führte 1802 zu einer Abschaffung der Schwörtage durch die neuen Landesherren.
Zeitzeuge Johann Jakob Keller
Für Esslingen konstatierte Johann Jakob Keller 1789 schon „mehrere Wochen vorher ein Leben und Weben, ein Kaufen und Verkaufen, das einzig seinen Bezug auf diese Feier hat“.
Den Ablauf des Schwörtags hat er in sechs Briefen an einen Freund genau beschrieben. Die Briefe wurden 1789 zusammen mit einem Kupferstich, auf dem die Schwörtagszeremonie festgehalten ist, veröffentlicht.
Der Kupferstich zeigt links die im Schwörhof versammelte Bürgerschaft unter den Zunftfahnen. Rechts ist die Ledigenkompanie postiert, dahinter hat der Rat in einem Laubengang Platz genommen.
Im Erker des Schwörbalkons nimmt der Kanzleidirektor dem neuen Bürgermeister den Eid auf die Statuten der Stadt ab, den danach der Magistrat und die gesamte Bürgerschaft auf die Verfassung leisten.
Der Schwörtag wurde jeden Sonntag nach Jakobi abgehalten.
Schwörtag heute
Die 1991 auf dem historischen Schwörhof wieder ins Leben gerufene Schwörzeremonie nimmt Bezug auf die spezifischen reichsstädtischen Traditionen, passt aber inhaltlich noch immer in die heutige Zeit.
Sie wird heute nicht mehr als rechtsverbindlicher Schwurakt interpretiert, sondern als identifikationsstiftendes, partizipatives, aber keinesfalls exklusives Zeugnis einer vielfältigen Stadtgesellschaft.
Die Schwörzeremonie wird jährlich am ersten Freitag im Juli abgehalten. Sie bildet den Auftakt zum Esslinger Schwörfest mit einem breit gefächerten kulinarischen Angebot und musikalischer Unterhaltung auf dem Marktplatz.
Stadt Esslingen am Neckar