Als US-Panzer zum Neuen Rathaus rollten

Am heutigen 8. Mai wird dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren gedacht. Wie aber ereignete sich die Kapitulation in Esslingen und warum war der Krieg bereits 16 Tage früher zu Ende? 

US-Militärregierung in Esslingen

Für Esslingen endete der Zweite Weltkrieg am 22. April 1945 mit der kampflosen Übergabe der Stadt an die US-Armee – 16 Tage vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945.
Im Verlauf des Krieges war auch Esslingen verschiedentlich bei Luftangriffen getroffen worden. Dabei wurden 71 Menschen getötet und 60 Häuser zerstört. Ausgeblieben waren aber Flächenbombardements, wie sie viele andere Städte verheerten – so noch am 23. Februar 1945 Pforzheim mit 18.000 Toten. Zum Kriegsende drohte in Esslingen nun allerdings Verwüstung durch Kämpfe am Boden.

Im April 1945 rückten die Amerikaner von Norden und französische Streitkräfte von Süden in den mittleren Neckarraum vor. NS-Funktionäre wie der aus Esslingen stammende württembergische Gauleiter Wilhelm Murr und Esslingens Kreisleiter Eugen Wahler forderten eine Verteidigung bis zum Äußersten. Hitlers „Nero-Befehl“ zur Zerstörung aller wichtigen Verkehrswege und Fabriken führte in Esslingen noch zur Teilsprengung der altehrwürdigen Pliensaubrücke. Was der Stadt drohte, zeigte das Schicksal Freudenstadts und Crailsheims. Ihre „Verteidigung“ endete in weitgehender Zerstörung. Sieben Tote kostete am 21. April der Fanatismus des Dorfschulleiters im damals noch selbständigen Berkheim. Er verhinderte den Abbruch von Panzersperren, was französischen Beschuss zur Folge hatte. Auf der Esslinger Neckarhalde schlugen am selben Tag Granaten ein, als französische Panzer auf dem Zollberg deutsche Geschütze in Sulzgries ins Visier nahmen. Und noch am frühen Morgen des 22. April feuerten US-Panzer vom Schurwald nach Esslingen hinein – in Reaktion auf ein Scharmützel mit Esslinger Volkssturmleuten am vorigen Abend in Wäldenbronn. 

Kampflose Übergabe

In der Nacht zum 22. April floh der Kreisleiter der NSDAP aus Esslingen. Auch der Kampfkommandant der Wehrmacht setzte sich ab. An regulärem Militär blieb nur eine kleine Gruppe von Soldaten in der Funker-Kaserne in Hohenkreuz zurück. Das nutzten Esslinger Bürger, um eine kampflose Besetzung ihrer Stadt anzubahnen. Die örtlichen Volkssturmeinheiten wurden aufgelöst. Morgens nahmen dann drei Esslinger Delegationen Kontakt zu den in Wäldenbronn stehenden Amerikanern auf, die am späten Vormittag in die Stadt einrückten. Ihre Panzer trafen bei der Fahrt zum Neuen Rathaus auf keinerlei Widerstand. Die US-Besatzung dauerte zunächst allerdings nur wenige Tage. Am 3. Mai übernahm vorübergehend die französische Armee die Stadt – bis zum 7. Juli 1945, als die Amerikaner nach der endgültigen Festlegung der Besatzungszonen zurückkehrten.

1952 untersuchte der Leiter des Stuttgarter Staatsarchivs, Max Miller, im Auftrag des Esslinger Gemeinderats „Das Kriegsende in Eßlingen“. Vorausgegangen war ein auch in der Presse ausgetragener Streit darüber, welchen Anteil an der „Rettung“ der Stadt den am 22. April 1945 zu den Amerikanern aufgebrochenen Delegationen jeweils zuzuerkennen sei. Der Streit war vergangenheitspolitisch brisant, weil die beteiligten Akteure, darunter der ausgewiesene Demokrat und Nachkriegs-Oberbürgermeister Fritz Landenberger, für unterschiedliche Lager der Stadtgesellschaft standen und sich der frühere NS-Bürgermeister Friedrich Gärttner darauf berufen konnte, als erster nach Wäldenbronn gefahren zu sein. Miller kam zu dem Ergebnis, dass sich der Streit nicht entscheiden lasse, weil sich die Bemühungen der drei Delegationen ergänzt hätten und ihr tatsächlicher Einfluss auf das Handeln der Amerikaner nicht mehr festzustellen sei. 

Lange Aufarbeitung

Sehr viel länger, bis in die 1990er Jahre, dauerte es bis zur Aufarbeitung der eigentlichen NS-Geschichte Esslingens, der lokalen Beteiligung am nationalsozialistischen Terror gegenüber den aus der „Volksgemeinschaft“ ausgegrenzten Minderheiten, Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und politisch Andersdenkenden – ganz zu schweigen von den Regimenähe zu verdankenden Geschäftsgewinnen lokaler Wirtschaftsakteure. Darauf hat der damalige Oberbürgermeister Jürgen Zieger zum 75. Jahrestag des Kriegendes 2020 eindringlich hingewiesen.

Fünf Jahre später zwingen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und das weltweite Vordrängen antidemokratischen Denkens und Handelns dazu, die Erinnerung an das Jahr 1945 neu zu justieren: Sich der Verherrlichung von Krieg, Gewalt und einer Herrschaft des Stärkeren zu entziehen – und notfalls „von der Fahne zu gehen“ – bleibt richtig. Andererseits gilt: Ohne die Kampfbereitschaft und Mobilisierungskraft der westlichen Demokratien hätten in Europa der Terror der Nationalsozialisten oder allein das stalinistische System triumphiert.
„Manchmal“ – so betont Oberbürgermeister Matthias Klopfer als Lehre dieser Tage – „bleibt auch friedliebenden Demokratinnen und Demokraten nur, den Einsatz militärischer Gewalt zur Verteidigung zu befürworten und mitzutragen.“  

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(Erstellt am 08. Mai 2025)