In den meisten Fällen braucht es keine Falle
Christian Schwenk ist seit einem Jahr der offiziell eingesetzte Stadtjäger in Esslingen. Bei seinen bislang 40 Einsätzen waren meistens vor allem Beratung und Information gefragt.

Füchse, die ihren Bau unter der Haustreppe anlegen. Ein verirrtes Reh auf dem Grundstück. Marder in der Tiefgarage oder unter dem Firmendach. Und jede Menge Waschbären – im Garten, auf dem Balkon und sogar als Eindringling in der Wohnung: Zu etwa 40 tierischen Einsätzen wurde Christian Schwenk im vergangenen Jahr nach Esslingen gerufen. Hier ist er seit Februar 2024 der erste offiziell eingesetzte Stadtjäger.
Warum es einen speziellen Jäger für den Siedlungsbereich braucht? Auf der Suche nach Futter und Unterschlupf entdecken immer mehr Wildtiere die Stadt als Lebensraum. Nicht immer allerdings bleiben die Begegnungen zwischen Mensch und Tier konfliktfrei – und da kommt Christian Schwenk ins Spiel. „In den allermeisten Fällen kann ich die Probleme mit Beratung und der entsprechenden Wissensvermittlung lösen“, erläutert der 52-Jährige, der eine spezielle Ausbildung als Stadtjäger hat und deswegen in rechtlichen Fragen, Kommunikation oder auch Fallenjagd besonders geschult ist.
Seiner Erfahrung nach haben viele Konflikte ihren Ursprung in falsch verstandener Tierliebe. Ein Beispiel: Vogel- oder Katzenfutter, das auch nachts im Freien bereitgestellt wird. „Damit füttert man eben nicht nur Vögel oder sein Haustier, sondern lockt auch ungebetene Gäste an“, erzählt Christian Schwenk. Andere wiederum würden anrufen, weil die Fotofalle im Garten immer wieder herumstreifende Füchse festhalten würde: „Da muss man sich bewusst machen, dass sich Wildtiere nicht an Grundstücksgrenzen halten und einfach etwas gelassener werden.“ In einem solchen Fall rät er dazu, die Kamera für vierzehn Tage auszuschalten und so das Tier wieder aus dem Kopf zu bekommen.
Gelassenheit sind neben dem nötigen Respekt für Christian Schwenk die zwei wichtigsten Ratgeber im Umgang mit Wildtieren. Es gibt aber auch Fälle, in denen alle Gelassenheit nicht mehr hilft – etwa dann, wenn größere Schäden entstehen oder zum Beispiel Kinder im Spiel sind. „Es gab einen Fuchsbau auf einem Schulhofgelände in Esslingen. Das ist nicht miteinander zu vereinbaren, deswegen habe ich aktiv geholfen, die Tiere zu vertreiben“, berichtet er.
Gleiches gilt, wenn nachtaktive Tiere unter dem Dach für Schlaflosigkeit sorgen oder mit ihren Bautätigkeiten die Standfestigkeit von Häusern oder Mauern bedrohen. Gerufen wurde der Profi auch, als sich ein Marder in einem der Esslinger Taubenschläge einquartiert und alle Vögel getötet hatte. „Dort habe ich aufgezeigt, über welche Wege das Tier in den Taubenschlag eingedrungen ist. Diese Wege wurden alle verschlossen“, erläutert Christian Schwenk.
Zu 90 Prozent beschränkt sich seine Aufgabe auf die Beratung, in nur wenigen Fällen muss Christian Schwenk auch mit seinen Fallen und Waffen anrücken: „Das ist für mich aber immer die allerletzte Möglichkeit.“ Im vergangenen Jahr hat er in Esslingen insgesamt sechs Waschbären an vier Standorten erlegt. „Die Tiere waren aggressiv und hatten jeweils das ganze Gelände eingenommen.“ In einem Fall seien sie sogar in die Einliegerwohnung eingedrungen, sobald ein Fenster offen gestanden sei. „Und da dort auch noch ein Kleinkind gewohnt hat, gab es für mich keine andere Wahl.“
Christian Schwenk betont, dass ihm aber auch bei diesen Entnahmen das Wohl der Tiere am Herzen liegt. „Ich erschieße die Tiere, sobald sie mir in die Falle gehen. Dann haben sie gar keine Zeit, in Panik zu geraten.“ Er hält dagegen nichts davon, Tiere wegzufahren und anderswo auszusetzen oder zu erlegen: „Das stresst die Tiere nur unnötig und ist letztlich Tierquälerei.“
Christian Schwenk ist übrigens nicht nur in Esslingen, sondern auch in anderen Gemeinden des Landkreises, im Raum Göppingen und in Stuttgart als Stadtjäger im Einsatz. Seine Expertise hat sich offensichtlich herumgesprochen: Seit März arbeitet er im Ministerium für ländlichen Raum und ist dort unter anderem für Ausbildungskonzepte und Beratung anderer Stadtjäger zuständig. „In Esslingen werde ich trotzdem weiterhin aktiv bleiben, schließlich ist mir die Praxisnähe sehr wichtig.“
Davon abgesehen wird ihm die Arbeit nicht ausgehen – ganz im Gegenteil. Den nächsten Konflikt sieht er schon auf Esslingen zukommen: „Nachdem wir die Nilgans in Stuttgart in Teilen vertreiben, weichen diese eventuell auf das Umland aus.“
Die invasive Vogelart hat in vielen Kommunen schon für Ärger gesorgt, wenn zum Beispiel Tiere zwischen Schwimmenden im Freibad landen, ihre Hinterlassenschaften die Wiesen zieren oder sie andere Vogelarten vertreiben. „Ich bin ein großer Freund davon, sich rechtzeitig Gedanken darüber zu machen, wo die Nilgans willkommen ist und wo wir sie in Esslingen nicht haben wollen.“ Deswegen sei er bereits mit den entsprechenden Behörden im Gespräch. „An Esslingen schätze ich die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“, betont er.
Wer die Hilfe des Stadtjägers benötigt, kann sich an den städtischen Vollzugsdienst wenden, unter vollzugsdienst@esslingen.de oder Telefonnummer 0711-3512 2868.
Büro des Oberbürgermeisters