Erster Schritt: Eine Wohnung

Das innovative Projekt „Housing First Esslingen“ vermittelt obdach- und wohnungslosen Menschen eine dauerhafte Bleibe – ohne Bedingungen.

Mietvertrag und Schlüssel
©Adobe Stock/eccolo

„Wenn man jahrelang immer nur Ablehnung erfährt, ist das etwas ganz Besonderes“, sagt Tina von Rasch, die das Projekt Housing First bei der Stadt Esslingen von Beginn an begleitet. Der Ansatz gilt als innovativer Weg, Wohnungslosigkeit nachhaltig und bedingungslos zu beenden – besonders für Menschen, die auf dem angespannten Wohnungsmarkt immer wieder durchs Raster fallen. Die Grundidee: Menschen ohne Wohnung erhalten zuerst ein eigenes, unbefristetes Zuhause – ohne Vorbedingungen wie Abstinenz oder Therapiebereitschaft – und erst danach eine freiwillige, sozialarbeiterische Begleitung, die Stabilität, Eigenständigkeit und Teilhabe fördert. In Esslingen wurde das Projekt vor rund eineinhalb Jahren gestartet. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg sowie die Vector Stiftung stellen hierfür Fördermittel in Höhe von 265.000 Euro zur Verfügung, der Eigenanteil der Stadt liegt bei zehn Prozent. Esslingen ist eine von sechs Kommunen in Baden-Württemberg, die drei Jahre Zeit haben, den Ansatz zu erproben. Ob und in welcher Form das Projekt langfristig in die städtische Wohnungsnotfallhilfe überführt werden kann, wird der Gemeinderat auf Grundlage der Ergebnisse der laufenden Evaluation entscheiden.

Durchweg positive Rückmeldungen

Im Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales wurden nun die ersten Ergebnisse vorgestellt. Die Rückmeldungen aus der Praxis sind durchweg positiv: „Wir erleben, wie Menschen aufblühen, die wieder in ihren eigenen vier Wänden leben dürfen“, berichtete Carolin Bischoff, Abteilungsleiterin Soziale Beratung und Betreuung. „Das ist nicht nur der erste Kindergeburtstag, den man zu Hause feiern kann, sondern auch der Beginn einer Ausbildung oder eines neuen Jobs.“ Auf Wunsch erhalten die Bewohnerinnen und Bewohner zudem sozialarbeiterische Unterstützung durch die Projektpartner Evangelische Gesellschaft Stuttgart (eva) und Heimstatt Esslingen e.V. Insgesamt drei Sozialarbeiterinnen helfen beim Einleben, beim Aufbau von Alltagsstrukturen und dabei, langfristig wieder Fuß zu fassen – Schritt für Schritt und im eigenen Tempo. Tina von Rasch: „Die Teilnehmenden entscheiden über die Art, den Umfang und die Intensität der Begleitung.“

Flexible Hilfe möglich

Eine der Sozialarbeiterinnen ist Nicole Haag, sie betont: „Alle berichten, dass sie dank der Wohnung jetzt den Kopf frei haben, sich um andere Probleme und Sorgen zu kümmern.“ Durch das Konzept sei eine flexible Hilfe möglich: „Wir können klientenorientiert arbeiten.“ Die ersten Erfahrungen würden zudem zeigen, dass die Unterstützung dankbar von allen Bewohnerinnen und Bewohnern angenommen werde. Die Unterstützung reiche von der gemeinsamen Bestellung von Möbeln bis zur Weitervermittlung an die Schuldnerberatung. Das Projekt richtet sich an langjährig obdachlose Menschen, Paare, Alleinerziehende und Familien“, erklärt Marius Osswald, Leiter des Amtes für Soziales, Integration und Sport. Teilnehmen können Menschen, die derzeit obdachlosenrechtlich in städtischen Notunterkünften, in Sozialpensionen oder im Erfrierungsschutz untergebracht sind. Ebenso Personen, die eine sogenannte Erreichbarkeitsbescheinigung erhalten haben, da sie sich ohne festen Wohnsitz bei Bekannten oder im Freien aufhalten.

Fünf Haushalte vermittelt

Bis Oktober 2025 konnten bereits fünf Haushalte erfolgreich in Wohnungen untergebracht werden: zwei Familien und drei Einzelpersonen. Insgesamt sind 15 Wohnungsvermittlungen vorgesehen. „Eine Wohnung ist eine grundlegende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Wir übernehmen soziale Verantwortung und unterstützen wohnungslose Menschen in Esslingen, indem wir – in Abstimmung mit Housing First – Wohnraum bereitstellen, wann immer wir passende freie Wohnungen haben“, erklärt Fabian Schütz, Regionalleiter Stuttgart Umland bei Vonovia. „Unsere bisherigen Erfahrungen sind durchweg gut.“ Neben Vonovia beteiligen sich die Esslinger Wohnungsbau GmbH (EWB) und die Städtische Gebäude Esslingen (SGE) am Projekt. Zum Projektteam gehört auch ein städtischer Wohnungsscout. Gemeinsam begleiten alle Beteiligten die Teilnehmenden eng – von der Antragstellung über Umzug und Erstausstattung bis hin zu regelmäßigen Besuchen im neuen Zuhause. Die bisherigen Rückmeldungen zeigen, dass die neuen Mieterinnen und Mieter deutlich an Stabilität, Eigenständigkeit und sozialer Teilhabe gewonnen haben.Axel Glühmann von der eva Stuttgart fasst zusammen: „Das Konzept ist ein kompletter Paradigmenwechsel: Bisher stand die Wohnung am Ende, jetzt wird damit gestartet.“ Die Freiwilligkeit bei diesem Projekt sie ein „echter Gamechanger“.

Privater Wohnraum und Ehrenamtliche gesucht

Eine Herausforderung bleibt jedoch der Mangel an verfügbarem Wohnraum – insbesondere barrierefreie Einzelwohnungen. „Viele Wohnungslose werden älter, bringen Handicaps mit und sind zum Beispiel auf den Rollator angewiesen“, betont Tina von Rasch. Die Stadt plant daher, mit privaten Vermieterinnen und Vermietern ins Gespräch zu gehen. Außerdem werden Ehrenamtliche gesucht, die bei Umzügen unterstützen oder bei der Möbelbeschaffung helfen. Die Landesförderung läuft nach drei Jahren Ende 2026 aus. Die endgültige Bewertung des Projekts erfolgt im vierten Quartal 2026 im Rahmen einer abschließenden Evaluation. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wird der Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales über eine mögliche Fortführung ab 2027 entscheiden.

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(Erstellt am 20. November 2025)