Hunde machen das Lesen leichter
Seit Jahresanfang beschäftigt die Esslinger Stadtbücherei einige vierbeinige Mitarbeitende: Das Angebot „Lesen mit Hund“ verbessert die Lesefähigkeit, stärkt das Selbstbewusstsein und kommt richtig gut an. Büchereileiter Kevin Butler und Bibliothekspädagogin Nadine Schäufele berichten von der neuen Leseförderung.

Lesen mit Hund – das hört sich reichlich ungewöhnlich an. Warum sollten Kinder Hunden vorlesen?
Kevin Butler: Kinder sind total aus dem Häuschen, wenn sie einem Hund vorlesen dürfen. Denn zwischen Kindern und Hunden gibt es oft eine ganz besondere Verbindung. Aber natürlich geht es um mehr: Hinter „Lesen mit Hund“ steckt ein innovatives pädagogisches Konzept, das die Lesekompetenz verbessert. Hunde bewerten nicht – sie lachen nicht, sie korrigieren nicht, sondern sie sind einfach da und hören geduldig zu. Das nimmt den Kindern die Angst, sie verspüren weniger Leistungsdruck, werden selbstbewusster und schließlich motivierter.
War es denn schwierig, tierische Mitarbeitende zu finden?
Nadine Schäufele: Nein, überhaupt nicht. Wir sind total dankbar, dass wir inzwischen acht Lesehunde haben – von unserer 13-jährigen Hunde-Oma Lilly über zwei Dalmatiner bis hin zum kleinen Leo. Die Hunde haben keine Spezialausbildung, aber wir haben bei einem Vorstellungsgespräch überprüft, wie sich die Tiere in der Bücherei verhalten. Und sie müssen natürlich eine Hundeschule besucht haben.
Kevin Butler: Wir erklären den Kindern die Regeln im Umgang mit Hunden. So hat jeder Hund seine Decke und die Kinder wissen, dass das der Rückzugsort der Tiere ist. Jeder Hund bekommt ein Halstuch angezogen, wenn er in die Bücherei geht – dadurch wissen die Tiere, dass sie jetzt im Einsatz sind.
Und wie sieht „Lesen mit Hund“ konkret aus?
Kevin Butler: Wir haben zwei verschiedene Angebote. Zum einen gibt es ein Einzelsetting, das wir dieses Schuljahr in Kooperation mit der Waisenhofschule organisiert haben. Dafür wurden von der Schule zehn Kinder ausgesucht, die einen besonders großen Förderbedarf haben und jeweils vier Termine mit unseren Lesehunden hatten. Die Kinder bekommen eine Lese-Stempelkarte und am Ende der Termine ein Zertifikat – das motiviert sie natürlich zusätzlich. Im kommenden Schuljahr werden wir dieses Angebot mit der Katharinenschule fortsetzen.
Nadine Schäufele: Zum anderen gibt es einmal im Monat ein Gruppenangebot, für das sich bis zu acht Kinder anmelden können. Das ist natürlich nicht ganz so intensiv. Dafür gibt es eine spannende Gruppendynamik: Ich erinnere mich an ein Mädchen, das sich erst nicht getraut hat, vorzulesen. Als sie dann aber gemerkt hat, dass ein anderer Junge auch nicht besser liest, da hat sie die Angst verloren.
Kevin Butler: Uns ist wichtig, dass das Angebot in einem geschützten Rahmen stattfindet – wir haben für die Einzelsettings einen eigenen Raum eingerichtet. Und beim Gruppenangebot wird niemand gezwungen vorzulesen – es ist auch in Ordnung, neben dem Hund auf dem Bauch zu liegen und ein Buch für sich zu lesen.
Was hat denn die Bücherei durch dieses Projekt gelernt?
Nadine Schäufele: Es wird schon deutlich, wie wichtig die Leseförderung und wie hoch der Bedarf ist. Deswegen haben wir auch noch viele weitere Ideen, wie zum Beispiel den Vorlesefriseur oder die Teilnahme an der Sommerferienaktion „HEISS AUF LESEN“.
Kevin Butler: Und wir haben festgestellt, dass das Projekt unseren Nutzerkreis öffnet: Es besuchen Kinder die Bücherei, die zuvor noch nie hier waren. Das ist ein wunderbarer Nebeneffekt.
Und wie ist das Feedback der Hunde?
Nadine Schäufele: Sie wedeln mit dem Schwanz, wenn sie durch die Bücherei laufen - deswegen denke ich, dass sie ganz gerne kommen (lacht). Aber Spaß beiseite: Man darf nicht unterschätzen, dass das Zuhören die Tiere anstrengt. Sie nehmen zum Beispiel die Nervosität der Kinder auf und regulieren diese. Deswegen sind sie nach einer Stunde platt und haben sich ihr Leckerli wirklich verdient.
Die nächsten öffentlichen Termine von „Lesen mit Hund“ finden am 24. September, 22. Oktober, 26. November und 17. Dezember statt. Anmeldungen bitte über kinderbuecherei@esslingen.de. Weitere Infos gibt es auch unter:
Stadt Esslingen am Neckar